Der Zukunfts-Blog der Machine Vision People

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Haben wir bald vollkommen autonome, smarte Fabriken? Glaubt man den Berichten über künstliche Intelligenzen, könnte dieser Eindruck entstehen. Bei der automatisierten Qualitätsprüfung etwa löst KI tatsächlich einige Probleme. Trotzdem sind produktive KI-Lösungen noch weit von dem Stand entfernt, der ihnen zugeschrieben wird.

Sie verursachen hohen Aufwand und rentieren sich nur unter bestimmten Bedingungen. Für viele Aufgaben ist KI auch überhaupt nicht erforderlich. Welche Rolle kann KI speziell bei der Unterstützung von optischen Qualitätsprüfungen spielen? Wann ist der Einsatz sinnvoll und wann nicht?

Einfache iO-niO-Entscheidungen erfordern keine KI

Für einfache iO-niO-Prüfungen sind deterministische Systeme – Bildverarbeitungen mit regelbasierten Algorithmen – völlig ausreichend. Alles, was von der Norm abweicht, wird als Fehler oder als niO-Teil erkannt.

Solche Systeme werden für sicherheitskritische Anwendungen eingesetzt, bei denen strikte Qualitätskriterien gelten. Spezifisch programmierte Regeln stellen sicher, dass kein Fehler durch die Prüfung rutscht. Oft nimmt man dabei bewusst eine höhere Rate von Pseudo-Fehlern in Kauf, um die hohen Qualitätsansprüche bei kurzen Taktzeiten einhalten zu können.

Rein KI-basierte Lösungen sind in solchen Szenarien weniger geeignet. Sie arbeiten anhand von eintrainierten Beispielen. Abhängig von der Qualität der Trainingsdaten liefern sie schwankende Ergebnisse basierend auf Wahrscheinlichkeiten – ein No-go in der Qualitätskontrolle, wenn null Fehler gefordert sind.

Welche Fähigkeiten von KI sind bei der Sichtprüfung nützlich?

Die Stunde der KI in der optischen Prüfung schlägt dann, wenn es weniger auf absolute Ergebnisse ankommt, sondern auf Einschätzungen oder Bewertungen. Unter anderem bei: nicht sicherheitsrelevanten Anwendungen, wenn keine hundertprozentige Erkennungsrate erforderlich ist; bei schwankenden Prüfmerkmalen- und -situationen; oder unterstützend in hybriden Bildverarbeitungen.

Für welche Fälle oder Aufgaben eignet sich KI konkret in der optischen Qualitätsprüfung?

Für welche Fälle oder Aufgaben eignet sich die KI konkret in der optischen Qualitätsprüfung?

Stark variierende Defekte erkennen und klassifizieren

Risse, Flecken oder Spritzer können sich jeweils stark unterscheiden, in Form, Farbe, Größe und Position. Regelbasiert sind solche variierenden Defekte schwer zu erfassen. Eine KI kann die Defekte filtern, klassifizieren und einschätzen, ob ein Teil wahrscheinlich in Ordnung ist oder nicht.

Die abschließende Beurteilung kann entweder ein regelbasiertes System oder ein menschlicher Prüfer übernehmen. Wenn die korrigierten Beurteilungen an die KI zurückgespielt werden, kann diese über die Zeit immer bessere Einschätzungen treffen.

Pseudo-Fehlerrate reduzieren

Die oft hohe Rate an Pseudo-Fehlern bei regelbasierten Systemen kann mithilfe von KI reduziert werden. Dafür muss die KI mit Daten trainiert werden, die Fehler im Grenz- oder Toleranzbereich enthalten. So lernt die KI zu unterscheiden, wann Defekte eher akzeptabel oder inakzeptabel sind.

Große Datenmengen bewerten

Die Datenmengen in der optischen Qualitätsprüfung steigen tendenziell stark an: durch höhere Auflösungen, 3D-Daten und größere geprüfte Bauteile. Die Echtzeit-Auswertung dauert dadurch länger und übersteigt eventuell sogar die Taktzeit der Produktionslinie – sie bremst. Eine der Stärken von KI ist, dass sie große Datenmengen deutlich schneller verarbeiten kann als herkömmliche Algorithmen. Sie kann die Bilddaten für die weitere Prüfung vorfiltern, ordnen und bewerten und so den Prüfungsprozess insgesamt deutlich beschleunigen.

Menschliche Prüfer unterstützen

Auch in automatisierten Produktionslinien sind oft noch menschliche Prüfer am Werk: bei Grenzfällen oder bei komplizierten Bauteilen treffen sie die endgültige Entscheidung. Die manuelle Prüfung erfordert höchste Konzentration. KIs können die Daten für die Prüfer vor- und aufbereiten und so deren Arbeit erleichtern. Die Arbeitsplatzergonomie wird verbessert und der Personalaufwand gesenkt – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann das ein schlagendes Argument sein.

Drei Kriterien bei der Entscheidung für oder gegen KI

Wie treffen Unternehmen bei der Auswahl einer Lösung – mit oder ohne KI – eine vernünftige Entscheidung? Dabei sollten sie drei Kriterien berücksichtigen:

  1. Fähigkeiten
  2. Integrationsaufwand
  3. Kosten

Einfach ausgedrückt muss ermittelt werden, ob eine KI überhaupt einen Nutzen für das vorliegende Szenario liegt und ob dieser Nutzen groß genug ist, um die Investitionen zu rechtfertigen. Trotz des Hypes um KI muss die ROI-Rechnung mit kühlem Kopf durchgeführt werden. Folgende Fragen können dabei helfen:

  • Würde eine KI helfen, langfristig bessere Prüfergebnisse zu erzielen?
  • Wie genau müssen die Prüfergebnisse sein? Wie hoch sind unsere Qualitätsanforderungen? Sind die
  • Bauteile sicherheitsrelevant?

Wie hoch ist die Fehlerrate der aktuellen Prüfmethode und wie stark kann diese durch KI gesenkt werden?

KI-Lösung ist nicht gleich KI-Lösung. In der einfachsten Form wird eine KI mit Gutteilen trainiert und alles, was davon abweicht, wird als Fehler eingestuft (Anomalie-Detektion). Für komplexere, genauere Prüfungen muss die KI mit viel mehr Daten zu allen möglichen Fällen trainiert werden. Welche Fähigkeiten sind wirklich erforderlich?

Je komplexer eine Lösung, desto höher der Trainingsaufwand. Und dafür müssen erst einmal genügend Daten vorhanden sein, auch für Fehler und Grenzfälle. Daher lautet eine der wichtigsten Fragen: Haben wir diese Daten und wenn nein, woher bekommen wir sie?

Je mehr das neuronale Netz einer KI kann, desto mehr Ressourcen benötigt es. Die Kosten für Hardware und Rechenleistung (in der Cloud) sind bei einer KI-Lösung exponentiell höher als bei normaler Software.

Aufwand und Kosten für eine KI-Lösung sind also relativ hoch und ein schneller ROI ist unwahrscheinlich. Ein regelbasierter Algorithmus liefert ab dem ersten Tag zuverlässige Ergebnisse. Eine KI dagegen muss im laufenden Betrieb optimiert werden. Es kann Jahre dauern, bis die Ergebnisse die geforderte Qualität erreichen. Bis dahin müssen Unternehmen eventuell mit höheren Kosten und schlechteren Ergebnissen leben.

KI als Ergänzung in der industriellen Bildverarbeitung

KI wird kurz- und mittelfristig in der optischen Qualitätskontrolle weder menschliche Erfahrung ersetzen noch bewährte regelbasierte Softwaresysteme.

Es gibt nicht die KI-Lösung, die man einfach installiert und mit der alle Produktionsfehler beseitigt werden.

Dennoch ist der ergänzende Einsatz an vielen Stellen sinnvoll. Auch wir bei VITRONIC implementieren KI-Funktionen in unseren Lösungen für die automatisierte Sichtprüfung. Beispielsweise wird das Bildmaterial durch eine KI vorgefiltert und grob markiert, die Prüfung wird schließlich durch einen regelbasierten Algorithmus durchgeführt. Solche hybriden Systeme kombinieren die Stärken beider Technologien und sind ein effizienter Einstieg in die Nutzung von KI in der optischen Prüfung.

FAZIT

KURZ GESAGT:

  • Für die meisten iO-niO-Entscheidungen in der optischen Qualitätsprüfung sind regelbasierte Algorithmen ausreichend.
  • KIs sind hauptsächlich dann hilfreich, wenn variierende Defekte klassifiziert und bewertet werden müssen. Außerdem können KIs große Datenmengen in kurzer Zeit verarbeiten.
  • Bei der Entscheidung für oder gegen KI dürfen Unternehmen nicht dem Hype folgen, sondern müssen für sich den ROI berechnen.

Zusammenfassung:

Der Einsatz von KI in der optischen Qualitätsprüfung ist noch nicht selbstverständlich. Je nach den geforderten Fähigkeiten, Kosten und Aufwänden, können sich KI-Lösungen lohnen oder auch nicht. Hybride Lösungen, die regel- und KI-basierte Algorithmen kombinieren, erzielen momentan die besten Ergebnisse.

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Oliver Hopp

Oliver Hopp

Key Account Manager Automotive
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+49 151 689 622 73
E-Mail
oliver.hopp@vitronic.com
Oliver Hopp unterstützt seit 2023 als Key Account Manager Automotive das Vertriebsteam bei VITRONIC. Durch seine Erfahrungen im Bereich der industriellen Bildverarbeitung kennt er die Anforderungen verschiedener Branchen und unterschiedlichster Applikationen. Von regel- bis zu KI-basierten Algorithmen berät und hilft er Kunden aus der Industrie und des Maschinenbaus bei der Umsetzung digitaler Maßnahmen im Bereich der automatisierten optischen Prüfung. Maßgeblich sind stets die Qualitätsanforderungen der Kunden.

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