
Am 27. Oktober 2020 adressierte das VITRONIC Hauptstadtbüro Berlin in Zusammenarbeit mit VITRONIC Middle East im vierten #BerlinVision Online Talk daher, wie Metropolen mit Smart-Mobility-Lösungen den Weg in eine Zukunft intelligenter und autonomer Städte ebnen können. Sechs Experten aus Berlin, Hamburg und Dubai tauschten wichtige Erfahrungen zu existierenden Smart Mobility-Projekten aus. In 90 Minuten diskutierten sie Strategien und Herausforderungen, die mit der Implementierung hochmoderner Verkehrssysteme der Zukunft einhergehen.
„Die wichtigste Herausforderung für eine Stadt wie Hamburg ist ihr Wachstum“, bestätigte Steve Schneider. „Sie wächst und wächst jedes Jahr, und die Bevölkerung wird parallel dazu immer älter und älter.“ Hamburg – als die deutsche „Smart City“ bekannt – ist eine der am schnellsten wachsenden Städte Deutschlands mit mehr als 1,8 Millionen Einwohnern in der Stadt und über 5 Millionen in der Metropolregion. Ein exponentielles Wachstum, das auch für die größte deutsche Hafenstadt eine massive Herausforderung darstellt, so der erste Experte des Online-Talks: Steve Schneider, Geschäftsführer des gemeinnützigen Vereins ITSMobility, der sich für intelligente Mobilität in Deutschland einsetzt.
Hamburg stehe, so Schneider, angesichts der schieren Menge an Gütern, die von Hamburg zum Hafen transportiert werden, und der Millionen von Menschen, die täglich durch die Stadt reisen, in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren vor großen Herausforderungen. Umweltbelastung und Platzmangel werden zum Problem, so Schneider.
Die Stadt Hamburg hat langfristige Ziele: Verbesserung des Verkehrsflusses und der Luftqualität, sowie Erhöhung der Verkehrssicherheit durch selbstfahrende Fahrzeuge.
Um die Herausforderungen des exponentiellen Wachstums bis 2030 zu meistern, hat die Stadt Hamburg eine Langzeitstrategie mit folgenden Eckpfeilern entwickelt: 1.) eine deutliche Reduzierung des Straßenverkehrs, 2.) das Ziel, Umweltbelastungen zu reduzieren, 3.) eine erhöhte Zuverlässigkeit und Effizienz der Verkehrssysteme, 4.) die Notwendigkeit, genaue und sichere Daten zu sammeln.
Damit Hamburg diesen Weg langfristig erfolgreich beschreiten kann, müsse man zunächst prüfen, wo die Stadt in neue Infrastruktur investieren müsste und wie man mehr Informationen sammeln und zwischen den Fahrzeugen und dem Verkehrssystem austauschen könne, so Schneider. Ein erster Schritt zu diesem Ziel bis 2030 sei getan, so der ITS Mobility Geschäftsführer: 2019 wurde mit 9 km die längste innerstädtische Teststrecke Deutschlands für automatisiertes und vernetztes Fahren in Betrieb genommen, auf der die Stadt Daten sammeln und Erfahrungen mit automatisierten und vernetzten Fahrzeugen im städtischen Verkehrsumfeld sammeln kann.
„Die Teststrecke wird allen Nutzern und unabhängigen Anbietern offen stehen", erklärte Schneider. „Sie erlaubt und ermöglicht es der Stadt Hamburg, jede Anwendung, jeden Mobilitätsdienst zu testen, von dem sie denkt, dass er vielleicht ein guter Weg für die Zukunft ist.“ Um intelligente Verkehrssysteme dort zu testen, wo sie in Zukunft gebraucht werden, hat die Stadt Hamburg mitten im Herzen der Metropole 37 Ampeln mit Kurzstreckenkommunikation auf der Basis des Wi-Fi-Standards ITS G5 ausgestattet. Und 37 Ampeln seien nur der Anfang, so Schneider.
Es wird geplant, in den nächsten 3 bis 5 Jahren mehr als 150 Ampeln mit dieser Technologie auszustatten.
Während Hamburg den Titel „Deutschlands smarteste Stadt“ für sich beansprucht, entwickelte sich Berlin zur „Hauptstadt der Shared Mobility“ und folgt nach dem Motto „Testen und Machen“ einen Bottom-Up-Ansatz. Sie ermutigt Entscheider und vor allem Startups, konkrete Lösungen für aktuelle Mobilitätsprobleme einzusetzen und schnell zu testen. Mit Erfolg! Schritt für Schritt hat die Elektromobilität Einzug gehalten, so Jörg Welke, Projektleiter Innovation bei eMO, der Berliner Agentur für Elektromobilität. Die Organisation, eine sogenannte Public-Private-Partnership, agiert im Auftrag der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Ziel von eMO sei es, Probleme zu identifizieren, neue Mobilitätsprojekte in der Hauptstadt anzustoßen und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der intelligenten Mobilität zu beschleunigen.
eMO wurde 2010 – vor rund zehn Jahren – gegründet. Die ursprüngliche Aufgabe von eMO war es, Unternehmen die Alltagstauglichkeit von Elektromobilität aufzuzeigen. Das Team lernte bald, dass dies nicht genug war.
Wir haben festgestellt, dass es nicht damit getan ist, einen Antrieb im Auto gegen einen anderen auszutauschen, vom Verbrennungs- zum Elektromotor. Wir müssen mehr tun. Letztendlich müssen wir nachhaltig sein.
Den CASE-Ansatz von Daimler, der für „Connected – Automated – Shared – Electrified“ steht, ergänzte eMO mit einem S für „Sustainable“. Alle eMO-Projekte konzentrieren sich nun auf vernetzten Verkehr, automatisierten Verkehr, hoch automatisierten Verkehr, Shared Mobility und natürlich nach wie vor auf Elektromobilität.
Das Ergebnis spricht für sich: Die Elektromobilität ist eine der größten Erfolgsgeschichten Berlins – und nicht nur in traditionellen Autos. Auch hier geht Berlin neue Wege, setzt auf alternative Fahrzeuge.
Wir haben etwa 18.000 Elektroautos. Aber die Hidden Champions der Elektromobilität hier in Berlin sind die Zweiräder, Pedelecs, E-Bikes, E-Roller.
Mit 320 Autos auf 1000 Einwohnern gehört Berlin zudem zu den Städten mit der niedrigsten Quote an Autobesitzern. Das führte Welke darauf zurück, dass die Berliner sehr offen im Hinblick auf alternative Fortbewegungsmittel seien und gerne teilten („Sharen“) statt auf Eigentum zu setzen. Alle Arten von Sharing-Angeboten seien zu finden: Carsharing, Ride Sharing, Bike Sharing, Scooter Sharing und Roller Sharing. Viele dieser Angebote setzen auf umweltfreundliche Elektrolösungen – auch dank der vorhandenen Infrastruktur für E-Mobilität:
Ein weiterer Meilenstein für mehr intelligente Mobilität ist ein Mobilitätsgesetz, das die Grundlagen der Mobilität in Berlin regelt. Bislang das einzige in Deutschland, so Welke. Auf Landes- und auch auf Bundesebene gebe es kein Mobilitätsgesetz wie das in Berlin.
Und während es von außen betrachtet so aussehen mag, als fehle es Berlin an einer Vision, hat der „Bottom-up-Ansatz“, wie Welke ihn beschreibt, die deutsche Hauptstadt bisher voran gebracht.
Dr. Malek Yamani, ein Smart City-Experte mit Projekten im Nahen Osten und in Dubai, fügte kritische Gedanken hinzu: „Smart Cities führen uns von einer Welt des Wissens zu einer Welt der Information“, betonte der Dozent, Unternehmer und Ingenieur Yamani. Und wie auch Steve Schneider sieht Yamani jedoch Bildung und Zusammenarbeit als entscheidend an. „Alle Beteiligten, private wie auch öffentliche Einrichtungen, müssen sicherstellen, dass wir Menschen der Technologie voraus sind und nicht umgekehrt“, so Yamani. Die Menschheit kann und muss durch Wissensaustausch zukünftige Smart Cities planen und gestalten. Länder wie Oman zeigten, dass sich mutige Entscheidungen bei der Modernisierung der Verkehrssysteme auszahlten.
Historisch gewachsene Infrastrukturen wie in Paris oder London, die Modernisierung behindern, gäbe es in Nahen Osten nicht. Die Offenheit für Veränderungen sei der größte Vorteil des Nahen Ostens, so Yamani. „Wenn Sie beispielsweise nach einer Abwesenheit von, sagen wir, drei, vier, fünf oder sechs Monaten nach Muskat, Kuwait, Dubai oder Abu Dhabi zurückkommen, werden Sie eine völlig andere Stadt sehen. Neue Straßen, neue Straßenbeleuchtung und viele andere neue Dinge.“ Im Nahen Osten fällt der Wandel leicht, so Yamani. Und es sind wieder die Menschen, die diese möglich machen.
Ich glaube an Führungskraft, mutige Entscheidungen, Risikobereitschaft und, was am wichtigsten ist, an das Vertrauen in die Zukunft, denn die Zukunft wird uns nicht enttäuschen
Youssef El Hansali, CEO von VITRONIC Middle East, bestätigt, dass der Führungsansatz im Nahen Osten der entscheidende Faktor sei: „Die Verkehrssicherheit im Nahen Osten steht hier ganz oben auf der Agenda der politischen Entscheider“, so El Hansali. Mit klarer Führung und konsequenten Entscheidungen konnte beispielsweise Dubai die Zahl der Verkehrstoten um fast 80 Prozent senken. „Das ist phänomenal“, so El Hansali. Einige Beispiele für intelligente Projekte in Abu Dhabi sind einfach, aber effektiv: die Handynutzung am Steuer wurde reduziert, das Tragen von Sicherheitsgurten und zu dichtes Auffahren überwacht. Die Ergebnisse waren bereits wenige Tage nach der Umsetzung sichtbar.
Und der Handlungsbedarf wächst auch im Nahen Osten. „Wir werden immer mehr Mobilität benötigen, und die Nachfrage danach wird weiter steigen, zumindest für die nächsten fünf bis sieben Jahre“, so Yamani. Er blickt positiv in die Zukunft des Nahen Ostens, da die Regierung gut gerüstet sei. Es gäbe Personen, die in der Lage seien, die nötigen Entscheidungen zu treffen, um z.B. Städte oder Straßen in intelligente Städte und intelligente Straßen zu wandeln.