Der Zukunfts-Blog der Machine Vision People

In einem exklusiven Interview mit dem Technikjournal spricht Tim Bissé, unser Produktmanager für Traffic Technology, über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der modernen Verkehrsüberwachung. Im Interview erläutert er die Rolle von KI in der Verkehrsüberwachung, die Vorteile im Vergleich zu traditionellen Methoden sowie die zukünftigen Entwicklungen in diesem Bereich.

KI und Verkehrsüberwachung

Wie genau wird Künstliche Intelligenz (KI) in Ihren Verkehrsüberwachungssystemen eingesetzt?

Künstliche Intelligenz kommt in Form von neuronalen Netzen bzw. CNNs zum Einsatz. Dies kann auf zwei Arten geschehen. Zum einen können klassische Verfahren mithilfe von CNNs ergänzt oder verbessert werden. Beispiele hierfür wäre die Klassifizierung von Fahrzeugen oder als Ergänzung einer klassischen Schrifterkennung (OCR) bei der Automatisierten Kennzeichenlesung (AKLS). Die zweite Einsatzform umfasst Systeme, die vollständig auf video- bzw. bildbasierter Kameratechnologie mit KI-Unterstützung beruhen und keine zusätzlichen Sensoren wie LiDAR oder Radar benötigen.

 

Welche Vorteile bietet der Einsatz von KI gegenüber traditionellen Methoden der Verkehrsüberwachung?

Flexiblere Einsatzmöglichkeiten. Im Grund kann jedes denkbare Szenario ausgewertet werden, dass auch mit dem menschlichen Auge erkennbar ist. Mithilfe von KI können die Systeme verschiedene Objektarten – etwa Pkw, Lkw oder Radfahrer – erkennen, voneinander unterscheiden und sie in einem definierten Umgebungsmodell auf bestimmte Ereignisse prüfen. Diese Technik wird beispielsweise bei der videobasierten Überwachung von Rotlichtverstößen eingesetzt. VITRONIC liefert solche Systeme unter anderem nach Österreich.

Weiterhin können die Systeme mit geringem Aufwand trainiert werden, sodass neue Szenarien bzw. Arten von Verstößen schnell integriert werden können. Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten bietet die Technik Vorteile, da hier aufwändige Installationen auf ein notwendiges Minimum reduziert werden können. Im einfachsten Fall wäre das eine Kamera mit Infrarot-Beleuchtung. Dies bietet nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern spart auch Energie und Ressourcen im Sinne der VITRONIC Nachhaltigkeitsziele.

 

In welchen Bereichen werden die KI-Verkehrsüberwachungssysteme eingesetzt?

Sowohl im Mautbereich als auch in der klassischen Verkehrsüberwachung. Außerdem auch in Kennzeichenlesesystemen, die zusätzlich bei der Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden können, um gestohlene Fahrzeuge zu identifizieren.

Die wichtigsten Anwendungen für VITRONIC sind die Automatische Kennzeichenlesung, Klassifikation, Rotlichtüberwachung, Detektion von ungeschützten Verkehrsteilnehmern und die Erfassung von Gurt- und Handyverstößen. Weiterhin bei Durchfahrtsverboten und so genannten Manöververstößen (z.B. Überwachung von Abbiegeverboten).

Einsatzbereiche von KI-Verkehrsüberwachungssystemen von VITRONIC

Wie kommt es zu einem Strafverfahren? Schickt die KI die erfassten Bilder an die zuständigen Behörden?

VITRONIC selbst hat mit der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten oder der Einleitung von Strafverfahren nichts zu tun. Wir liefern die für die Feststellung von Verstößen notwendigen technischen Hilfsmittel sowie die dazugehörige Fallverarbeitungssoftware. Das heißt die Systeme erfassen und dokumentieren Verstößen bildlich. Die Daten werden im System in einer Falldatei verschlüsselt (TUFF). Diese Falldatei wird dann entweder von den Behörden am System abgeholt oder über eine VPN-geschützte Leitung mithilfe einer Middleware (Poliscan Connect) abgerufen bzw. übertragen.

Technologische Aspekte von KI-gestützter Verkehrsüberwachung

Wie werden die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der KI-Modelle sichergestellt und kontinuierlich verbessert?

Die Genauigkeit kann entweder durch den Vergleich mit Referenzsystemen (klassisch oder KI-basiert) oder durch Annotieren festgestellt werden. Bei der Annotation werden parallele Videoaufnahmen gemacht, die dann von speziell geschultem Personal ausgewertet werden.

 

Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Integration von KI in Verkehrsüberwachungssysteme und wie gehen Sie damit um?

Die Herausforderungen liegen in der Umstellung der Lösung vom klassischen System auf KI. Die Kunden haben hohe Ansprüche an Performance und Zuverlässigkeit, sodass KI-basierte Systeme mit sehr ausgereiften, klassischen Lösungen konkurrieren müssen. Das „Härten“ der KI-basierten Lösungen steht daher stark im Vordergrund.

Weiterhin bedarf es auch mehr Akzeptanz durch Kunden und vor allem durch Gesetzgeber und Konformitätsbewertungsstellen. Das heißt es muss ein rechtliches Umfeld geschaffen werden, in dem KI-basierte Lösungen überhaupt erst in Verkehr gebracht werden dürfen.

Zusätzlich bedarf es eines gewissen Knowhows und Expertise im Umgang mit KI. Eine klare Herausforderung ist hier der Fachkräftemangel im KI-Bereich, der die Entwicklung neuer Lösungen entsprechend bremst.

Daten und Datenschutz

Wie gehen Sie mit den großen Datenmengen um, die von den Überwachungssystemen gesammelt werden?

Die Daten werden direkt zum Kunden, sprich den Ordnungsbehörden, übertragen. VITRONIC hat somit keinen Zugriff auf die Falldaten. Die finale Speicherung und Verarbeitung der Daten obliegen somit der Hoheit der jeweiligen Behörde.

 

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um den Datenschutz und die Datensicherheit in Ihren KI-unterstützten Systemen zu gewährleisten?

Die Systeme integrieren bewährte Verschlüsselungsverfahren, die sich an den BSI-Richtlinien (z.B. BSI TR-02102-1) orientieren. Weiterhin sind die Anlagen gegen physischen Zugriff gesichert und verfügen auch optional über die Möglichkeit einer Alarmanlage. Bei der Errichtung der Anlagen sind dabei stets Auflagen des Datenschutzes zu beachten. Weiterhin sind bestimmte Anlagen so ausgelegt, dass beispielsweise für die Detektion nur Aufnahmen gemacht werden, auf denen keine Personen identifizierbar sind, z.B. aus der Heck-Perspektive. KI bietet hier auch vielfältige Möglichkeiten, nicht gewünschte Inhalte auszublenden oder zu „schwärzen“, zum Beispiel durch automatische Überblendung des Beifahrers bei der Bild-Dokumentation eines Rotlichtverstoßes. Ein wichtiges Thema ist auch die Datensparsamkeit. Das bedeutet es wird nur das erhoben, was auch benötigt wird.

Datenschutz KI Verkehrsüberwachung

Anwendungsfälle und Auswirkungen von KI in der Verkehrstechnik

In welchen Städten oder Regionen sind Ihre KI-unterstützten Systeme bereits im Einsatz und welche Ergebnisse wurden dort erzielt?

In Deutschland werden aufgrund der beschriebenen Datenschutzproblematik derzeit nur sehr wenige KI-basierte Systeme angeboten. Als Referenz wären hier die AKLS-Systeme in Bayern zu nennen. Auch die Kennzeichenlesung in den VITRONIC-Mautkontrollsystemen, etwa in Polen oder Australien, ist KI-basiert. Weiterhin liefert VITRONIC KI-basierte Systeme zur Kreuzungsüberwachung nach Österreich oder in den mittleren Osten sowie in die USA.

Wie beeinflusst die KI-unterstützte Verkehrsüberwachung die Verkehrssicherheit und -effizienz in diesen Gebieten?

Wie bereits ausgeführt sind KI-basierte Systeme eher kostengünstig. Das betrifft sowohl den Anschaffungspreis auch den Aufwand für Wartung und Betrieb. Das heißt die Behörden können ohne zusätzlichen Personalaufwand und zusätzliches Budget mehr Kreuzungen überwachen und somit für eine höhere Verkehrssicherheit sorgen. Diese Effizienzsteigerungen sind nachhaltig und helfen dabei, das Ziel Vision Zero – Null Verkehrstote – zu erreichen.

Zukunftsperspektiven

Welche zukünftigen Entwicklungen und Innovationen sehen Sie im Bereich der KI-gestützten Verkehrsüberwachung?

Wir gehen davon aus, dass die klassischen Verfahren nach und nach durch die KI-Disruption vollständig abgelöst oder zumindest ergänzt werden. Zusätzlich sind mit diesen Entwicklungen Überwachungen für zahlreiche Verstöße möglich, die bisher zumindest nicht automatisch überwacht werden konnten. Es ist davon auszugehen, dass es hier einen steigenden Bedarf geben wird, sofern es der Datenschutz ermöglicht und gesetzliche Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Wir werden nach meiner Auffassung somit künftig eine flexiblere, aber auch dichtere Überwachung, vor allem auch in den Städten, sehen. Dies ist insofern sinnvoll, da die Mobilitätswende auch hier neue Herausforderungen an uns stellt. Die meisten Unfälle, etwa mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern, finden in den Städten an Kreuzungen und Einmündungen statt. Hierbei stellt insbesondere der sich verändernde Verkehrsmix, in dem auch Pedelecs und Elektro-Kleinstfahrzeuge eine zunehmende Rolle spielen, eine Herausforderung dar. Dies spiegelt sich auch in den steigenden Unfallstatistiken wider. Die Verkehrsüberwachung mittels KI-basierter Systeme kann hier einen Beitrag leisten, um eine sichere und nachhaltige Mobilität für alle Verkehrsteilnehmer zu ermöglichen.

FAZIT

Kurz gesagt

  • KI wird in der Verkehrsüberwachung für die Klassifikation von Fahrzeugen und die automatische Kennzeichenlesung eingesetzt
  • Flexiblere, kostengünstigere und nachhaltigere Lösungen im Vergleich zu traditionellen Methoden
  • Einsatzbereiche umfassen Mautsysteme, Geschwindigkeitskontrollen und Rotlichtüberwachung
  • Datenschutz wird durch Verschlüsselung und datensparsame Erhebung gewährleistet
  • Zukünftige Entwicklung: KI wird traditionelle Systeme ablösen und eine dichtere, flexiblere Überwachung ermöglichen

Zusammenfassung

VITRONIC setzt auf KI-basierte Systeme in der Verkehrsüberwachung, um die Effizienz und Flexibilität zu steigern. Durch den Einsatz von neuronalen Netzen werden Verkehrsverstöße automatisch erkannt und dokumentiert, was sowohl kostengünstig als auch ressourcenschonend ist. Datenschutz spielt dabei eine zentrale Rolle, da alle Daten verschlüsselt übertragen und nur das Notwendige erhoben wird. Die Technologie ermöglicht eine breitere und schnellere Skalierung der Überwachungssysteme, mit dem Ziel, die Verkehrssicherheit weiter zu verbessern und die Vision Zero zu unterstützen.
Tim Bissé

Tim Bissé

Produktmanager Traffic Technology
E-Mail
tim.bisse@vitronic.com
Telefon
+49 174 2081154
Mein Name ist Tim Bissé. Ich arbeite als Produktmanager für den Bereich Traffic Technology bei VITRONIC. Wir müssen den kompletten Verkehrsraum mit all seinen Teilnehmern im Blick haben, um innovative Lösungen zu gestalten.

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